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Return of the living Dead: Fliegender Gerichtsstand

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Das LG Köln hat sich in einem Beschluss vom 6. Mai 2015, AZ 14 O 123/14, auf den ich über den Blog des Kollegen Ferner aufmerksam wurde, zur Frage der örtlichen Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen geäußert. In diesem Beschluss wird der fliegende Gerichtsstand bei Filesharing Verfahren wiederbelebt.

Wie ist das aktuelle Verständnis der Rechtslage?

Mit Einführung des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken hat der Gesetzgeber den 104 a UrhG eingeführt, der lautet:

Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke (…) nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz (…) hat.

Bisher bestand bundesweit Übereinstimmung, dass bei Filesharing Verfahren 104 a UrhG damit eine ausschließliche Zuständigkeit am Sitz des Beklagten (unter Berücksichtigung der Konzentrationsverordnung begründet. Damit wurde der fliegende Gerichtsstand faktisch abgeschafft.

Wie legt das LG Köln den § 104 a UrhG aus?

Das LG Köln, aaO legt das Tatbestandsmerkmal „gewerblich“ aus:

Damit kommt es auf die Abgrenzung im Einzelfall an, ob das Verletzerverhalten „für“, also in einem Zusammenhang stehend mit einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit anzusehen ist oder das Verhalten selbst als gewerblich anzusehen ist. Da nach dem Wortlaut des Gesetzes eine auch geringfügige gewerbliche Nebentätigkeit ausreicht, um den Anwendungsbereich von § 104 a UrhG auszuschließen, ist die Beurteilung entscheidend, wie das tatsächliche Verhalten des Beklagten einzuordnen ist, ob es also als rein private Tätigkeit oder (schon) gewerbliches Handeln zu charakterisieren ist.
Eine im Ausgangspunkt dem privaten Bereich zuzuordnende Tätigkeit ist dann als gewerbliches Handeln anzusehen, wenn es in einem Maße ausgeübt wird, das dem Handeln eines Gewerbetreibenden (schon) gleichkommt. Veräußert also etwa eine natürliche Person über die Verkaufsplattform eBay oder ähnliche Einrichtungen Gegenstände, wird dies bei einzelnen Stücken regelmäßig als privater Verkauf und damit als private Tätigkeit anzusehen sein. Veräußert die natürliche Person jedoch eine Anzahl gleicher Waren, insbesondere wenn sie neu und original verpackt sind, spricht dieses Ausmaß dafür, bereits von einer – möglicherweise auch erst beginnenden – gewerblichen Tätigkeit auszugehen, wobei dies im Einzelfall zu prüfen und auch weitere Kriterien wie etwa eine hohe Anzahl von Angeboten innerhalb eines kurzen Zeitraums, das Angebot von neuwertigen Markenartikeln, eine hohe Anzahl von Feedbacks und Ähnliches zu berücksichtigen sind (vergleiche für einen eBay Verkauf und diese Wertung etwa OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2014 – 6 W 20/14).

Um dann einen Bezug zum „gewerblichen Ausmaß“ und dessen Auslegung zu finden.

Auf der Grundlage dieser Kriterien ist für die Abgrenzung, ob es sich um einen Verbraucher oder einem Unternehmer im Sinne von §§ 13, 14 BGB handelt, mithin entscheidend der Umfang und die Intensität des Verhaltens des betroffenen Verletzers, letztlich also das Ausmaß seines Verhaltens. Deshalb hält die Kammer auch die zum Rechtsbegriff des „gewerblichen Ausmaßes“ des Verhaltens des Verletzers entwickelten Grundsätze für einen geeigneten Maßstab, die Abgrenzung vorzunehmen. Dies gilt umso mehr, als es nahe liegt, zur Auslegung von § 104 a UrhG andere Normen des Urheberrechtsgesetzes heranzuziehen, in denen die gleiche oder eine verwandte Begrifflichkeit Anwendung findet. Dies ist mit dem Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ gegeben, da dieser für den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 1 UrhG als Tatbestandsmerkmal aufgenommen ist. So kann sich gemäß § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG das gewerbliche Ausmaß sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben, womit es auch insoweit ebenso wie nach der vorzitierten Rechtsprechung zu §§ 13, 14 BGB entscheidend auf die Anzahl und die Nachhaltigkeit des rechtsverletzenden Verhaltens ankommt.

Welche Folge hat diese Auslegung?

Wem der Download/Upload an mehreren Tagen vorworfen wird, der muss damit rechnen, dass diese Tätigkeit vom LG Köln als „gewerblich“ beschrieben und damit die Zuständigkeit des LG Kölns begründet wird.

Überzeugen die Ausführungen zum fliegenden Gerichtsstand?

Mich überzeugt die Lesart des LG Kölns bereits deswegen nicht, weil die gewerbliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang nicht auslegungsfähig ist. Freilich kann ein Ebay Nutzer bei einer Vielzahl von Verkäufen die Grenze zum gewerblichen Handeln überschreiten. Bei der Nutzung einer Tauschbörse ist dies nur in krassen Ausnahmefällen denkbar (DJ lädt sich Musik für seinen abendlichen Auftritt). Bei einem Computerspiel wäre das wohl nicht denkbar.

Das LG Köln argumentiert, dass bei Tauschbörsen jedenfalls ein mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil vorliege:

Denn der Beklagte ersparte so jedenfalls auch die Aufwendungen für die Computerspiele, welche sein Sohn im Gegenzug zu den öffentlich zugänglich gemachten Computerspielen erhalten hat. Regelmäßig erhält der Nutzer von Filesharing Netzwerken im Gegenzug für die von ihm allen anderen Teilnehmern des Netzwerks angebotenen Spiele die Möglichkeit, von den Computern der anderen Teilnehmer seinerseits Computerspiele, Filme und sonstige urheberrechtlich geschützte Werke herunter zu laden. Da die Filesharing Netzwerke bis heute in beträchtlichem Ausmaß genutzt werden, ist dem Nutzer der Zugriff auf eine sehr große Zahl an Werken eröffnet.

Dies überzeugt bereits deswegen nicht, als moderne Tauschbörsenprogramme wie Bittorrent nicht mehr Zugriff auf andere Dateien eröffnen, die Nutzer auf den Festplatten haben. Vielmehr wird für jeden Download ein eigenes geschlossenes System geschaffen. Es existiert sozusagen für jedes Werk eine eigene ausschließliche Tauschbörse. Ein Mehrwert wird damit durch das Verbreiten nicht geschaffen, insbesondere stellt es keine Eintrittskarte (so verstehe ich das LG Köln) zu anderen Werken dar.

Der fliegende Gerichtsstand wurde vom Gesetzgeber vergraben begraben, wir sollten ihn in Frieden ruhen lassen.

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