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Rasch Abmahnung weiter „völlig unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung“ – LG Düsseldorf 09.05.2012 Az. 12 O 99/11

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Das LG Düsseldorf 09.05.2012 Az.12 O 99/11 hat in einer spektakulären Entscheidung das Totenglöckchen über die Alt-Abmahnungen der Kanzlei eingeläutet. Erstritten hat dieses höchst erfreuliche Urteil die Kanzlei Beier und Beier.

Zur Erinnerung: Die Kanzlei Rasch hat zwischen 2007 und 2009 viele tausend Abmahnungen verschickt, damals noch im Auftrag von sechs bis (später) vier Rechteinhabern. In diesen Abmahnungen ging es regelmäßig um mehrere hundert Titel und die Kanzlei Rasch forderte zwischen 3.000,00 EUR teilweise über 10.000,00 EUR. Aktuell versucht die Kanzlei Rasch in vielen dieser Altfälle noch Kosten einzuklagen. Das klappt in Köln auch recht ordentlich, in Hamburg so „lala“ und in Düsseldorf wohl gar nicht mehr. Denn das Landgericht Düsseldorf hat sich nun am 09.05.2012 zum Az.12 O 99/11 dem richtungsweisenden Beschluss des OLG Düsseldorf angeschlossen und die anwaltlichen Kostenerstattungssprüche zurückgewiesen:

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten ist nicht begründet. Die Abmahnung der Klägerinnen genügte den an eine Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen nicht. Die Kammer folgt insoweit der vom zuständigen Senat des Oberlandesgerichts in einem anderen Verfahren geäußerten Auffassung. Der Senat hat dabei ausgeführt (Beschluss vom 14.11.2011, Az. 1-20 W 132/11):

„Die Abmahnung der Klägerinnen genügte den an eine Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen nicht. Zur Abmahnung gehört, dass der Abmahnende seine Sachbefugnis darlegt, also kundtut, weshalb er sich für berechtigt hält, den zu beanstandenden Verstoß zu verfolgen (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.13; Ahrens/Deutsch, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. Kap. 1 Rn. 35). Die Abmahnung muss mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird. Auch wenn der Gläubiger Unterlassung nicht nur der konkreten Verletzungsform begehrt, muss er doch den Anlass der Beanstandung ganz konkret bezeichnen, damit der Schuldner weiß, was genau für den Gläubiger den Stein des Anstoßes bildet (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.15; OLG Stuttgart, WRP 1996, 1229, 1230). Um ihren Zweck zu erfüllen, muss in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, also die begangene Handlung, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet sein, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (OLG Köln WRP 1988, 56; Ahrens/Deutsch, a.a.O. Rn. 45).

Vorliegend sind weder die Aktivlegitimation noch der Verstoß hinreichend dargelegt. Das Anbieten von 304 Audiodateien zum Herunterladen stellt alleine noch keinen Urheberrechtsverstoß da. Nicht jedes Angebot einer Audiodatei zum Herunterladen verletzt fremde Urheberrechte. Die Dateien können gemeinfrei oder mit einer allgemeinen Lizenz versehen sein. So ist es inzwischen nicht mehr ungewöhnlich, dass Interpreten ihre Stücke zur freien Verbreitung in das Internet einstellen. Zudem ist das Urheberrecht ein Ausschließlichkeitsrecht Es ist jedem Inhaber von Urheberrechten selbst überlassen, ob er seine Rechte im konkreten Fall ausübt oder ob den Verletzer gewähren lässt. Ein Dritter kann diese Rechte nicht geltend machen. Von daher verfängt auch das Argument, eine Berechtigung der Beklagten an den Titeln sei jedenfalls nicht ersichtlich, nicht. Entscheidend ist allein, ob und an welchen Titeln den Klägerinnen Rechte zustehen. Ohne die Angabe der Titel, durch deren Angebot die Rechte gerade der Klägerinnen verletzt worden sind, konnte die Beklagte der Abmahnung daher nicht entnehmen, welches Verhalten sie in Zukunft unterlassen soll. Zur generellen Unterlassung des Anbietens von Audiodateien zum Herunterladen ist sie eben nicht verpflichtet, sondern nur zur Unterlassung des Angebots der Titel der Klägerinnen. Der zur Unterlassung verpflichtende Verstoß war folglich nicht das Anbieten von 304 Audiodateien zum Herunterladen, sondern – die Aktivlegitimation der Klägerinnen unterstellt – das Angebot der vier im Klageantrag genannten Musiktitel der Klägerinnen. Dieser Verstoß hätte in der Abmahnung dargelegt werden müssen, wobei zum notwendigen Vertrag der Aktivlegitimation zumindest auch die Zuordnung der Titel zu einzelnen Klägerinnen gehört hätte.

Ohne eine solche Darlegung war der Beklagten die Abgabe einer wirksamen Unterlassungserklärung gar nicht möglich. Die Liste der zum Herunterladen angebotenen 304 Audiodateien besteht vorwiegend aus Stücken anderer Berechtigter und kann schon von daher nicht Gegenstand einer gegenüber den Klägerinnen erklärten Verpflichtung sein. Eine auf die darin enthaltenen Musiktitel der Klägerinnen oder gar – wie von ihnen in ihrer Abmahnung verlangt – auf ihr gesamtes Repertoire gerichtete Unterlassungserklärung konnten die Klägerinnen in Ermangelung einer Individualisierung dieser Stücke nicht verlangen. Es kann dahinstehen, ob die Verletzung der Rechte an einzelnen Musiktiteln einen Anspruch auf eine das ganze Repertoire der Gläubigerin umfassende Unterlassungsverpflichtung vermittelt. Die Klägerinnen selbst machen vorliegend mit ihrer Klage nur noch eine Unterlassungsverpflichtung bezüglich der vier nach ihrem Vortrag tatsächlich zum Herunterladen bereitgestellten Musiktitel geltend.

Eine auf das gesamte Repertoire erstreckte Unterlassungsverpflichtung setzt jedenfalls die Beifügung einer Repertoireauflistung voraus.

Ein entsprechender Unterlassungsantrag wäre ohne eine solche Repertoireliste nicht hinreichend bestimmt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und es in der Zwangsvollstreckung, wenn dem im Erkenntnisverfahren gestellten Antrag Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Allein die Klarstellung, dass der Antrag, und die Verurteilung sich nur auf die zum Repertoire der Klägerinnen gehörenden Musiktitel bezieht, ermöglicht es dem mit einem Volistreckungsverfahren befassten Gericht nicht, im Falle eines Streits der Parteien zu beurteilen, ob es sich bei dem Musiktitel, wegen dessen Verbreitung durch die Beklagte die Klägerinnen die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld begehren, um einen zum Repertoire der Klägerinnen gehörenden Musiktitel handelt (vgl. ,BGH, GRUR 2008, 357 Tz. 23 – Planfreigabesystem). Steht nicht eindeutig fest, welche Musiktitel im Einzelnen gemeint sind, ist der auf die Verpflichtung zur Unterlassung der Verbreitung gerichtete Antrag nur dann hinreichend bestimmt, wenn diese individualisierend beschrieben werden, was durch eine Bezugnahme auf einen Ausdruck oder einen Datenträger erfolgen kann (vgl. BGH, GRUR 2008, 357 Tz. 24 – Planfreigabesystem).

Der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs kann vom Schuldner als Unterlassungserklärung nicht mehr verlangen, als was er durch eine Titulierung erreichen könnte. Eine Unterlassungserklärung, die auf das gesamte, nicht durch eine beigefügte Liste konkretisierte Musikrepertoire des Gläubigers gerichtet ist, verlagert das Risiko, ob ein unbekanntes Musikstück zum Repertoire des Gläubigers gehört, vollständig auf den Schuldner und benachteiligt ihn daher gegenüber einer titulierten Unterlassungsverpflichtung unverhältnismäßig. Im Falle einer vom Gläubiger für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Unterlassungserklärung ist eine gleichwohl abgegebene Verpflichtung daher nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Vom Unterlassungsgläubiger vorformulierte Unterlassungs- und Vertragsstrafeverpflichtungserklärungen unterfallen den Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH, NJW 1993, 721, 722).“

So liegt der Fall auch hier. Den Ausführungen des OLG steht nicht entgegen, dass die Beklagten vorliegend eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben. Diese Erklärung hat keine Folgen für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Sie beinhaltet insbesondere kein Anerkenntnis insoweit.

Erstattung der Abmahnkosten kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes gefordert werden. Durch die Abmahnung sollen zukünftige Verletzungshandlungen verhindert werden (Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2010, Kap 11 Rn 13). Eine zurückliegende Verletzungshandlung mag Anlass für die Abmahnung sein; deren Kosten stellen indes — abgesehen von dem Fall einer zu unterbindenden Dauerhandlung, für die hier nichts vorgetragen ist — keinen zurechenbaren Schaden dar. Soweit die Klägerinnen unter Bezugnahme auf ihre gegen den vorzitierten Beschluss des OLG Düsseldorf eingereichte Gegenvorstellung vertreten, beim öffentlichen Zugänglichmachen handele es sich um eine Dauerhandlung, so gilt dies nicht ausnahmslos. Die konkrete Aussage, es liege eine Dauerhandlung vor, findet sich nur in einer der drei von den Klägerinnen zitierten Kommentarstellen (von Ungern-Sternberg in: Wandtke/Bullinger, 3. Auflage 2009, § 19a UrhG Rn 44). Der Aussagegehalt der Kommentarstellen geht dahin, dass für ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19a UrhG weder ein konkreter Abruf erforderlich ist noch jeder Abruf für sich gesehen eine gesonderte Einzelhandlung des öffentlichen Zugänglichmachens darstellt. An dem Verständnis der Klägerinnen von einer Dauerhandlung ist lediglich richtig, dass eine solche zu bejahen ist, solange urheberrechtlich geschützte Musikwerke öffentlich zugänglich gemacht werden. Dass die Abmahnung vom 10.01.2008, die auf Vorgänge vom 06.11.2007 bezogen war, dem Zweck diente, eine noch laufende Dauerhandlung zu unterbinden, und dass diese Dauerhandlung tatsächlich im Zeitpunkt der Abmahnung noch vorlag, ist indes weder von den Klägerinnen vorgetragen noch im Ansatz in sonstiger Weise ersichtlich.

Was mich persönlich nun ärgert: Warum kommt diese Erkenntnis erst nachdem die alten Abmahnungen schon zu 90 % abgearbeitet sind und aktuelle Abmahnungen der Kanzlei schon entsprechend geändert wurden. Auch hier wird sich auf längere Sicht eine Verbesserung der Position der Beklagten sicher einstellen. Bereits jetzt ist voraussehbar, dass bei den aktuellen Abmahnungen der Kanzlei, bei denen es um ein Album geht, die Gerichte die Streitwerte in den nächsten Jahren auf unter 10.000,00 EUR bei einem Album herabsetzen werden. Aktuell wird aber mit Streitwerten bis zu 50.000,00 EUR hantiert. Die Rechtsprechung hinkt hier leider ein wenig hinterher und braucht erst einige Zeit bis sich Argumente durchsetzen.

Für Abgemahnte, welche verklagt werden, gilt daher das alte ostfriesische  Sprichwort:

Dem Ersten den Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot.

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