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Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 und die Auswirkungen auf Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen

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Das Bundesverfassungsgericht hat gestern ein wichtiges Urteil verkündet, in welchem der Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt wurde. Die Vorratsdatenspeicherung bezweckte eine verdachtsunabhängige Speicherung von Telekommunikationsdaten. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits zuvor in einer Eilentscheidung http://www.tagesschau.de/inland/vorratsdatenspeicherung46.html die Reichweite des Gesetzes stark eingeschränkt.

Nun wurden die wesentlichen Normen, mit denen die Vorratsdatenspeicherung gesetztlich reguliert wurde, für nichtig erklärt. Die gespeicherten Daten müssen unverzüglich gelöscht werden. Die Löschungen haben bereits begonnen.

Zur Verdeutlichung: Bei der Vorratsdatenspeicherung sollte es sich um eine gesetzlich geforderte „Muss-Speicherung“ handeln.

Davon unabhängig gab und gibt es einen zweiten Datenpool, der von vielen Providern für 7 Tage aufrecht erhalten wird. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Speicherung. Diese Speicherung von IP-Adressen und Datenvolumen dient dazu, einen Missbrauch aufzudecken und beispielsweise SPAM, Schadstoffsoftware in Form von Viren und Würmern zu bekämpfen. Diese Daten sind es aber, auf die zurückgegriffen wird, um vermeintlichen Rechtsverletzungen in Tauschbörsen entgegenzutreten.

Das Bundesverfassungsgericht ist dieser Vorgehensweise nicht entgegengetreten, sondern führt ab Rn 254 ff aus, dass der Gesetzgeber durchaus die Provider verpflichten darf, für einen gewissen Zeitraum die IP-Adressen zu speichern, weil auch das Internet keinen rechtsfreien Raum darstellen dürfe und damit Rechtsverletzungen entgegengetreten werden könne. Dieser Eingriff in die Rechte sei weniger schwerwiegend:
„Die Behörden rufen im Rahmen solcher Auskunftsansprüche nicht die vorsorglich anlasslos gespeicherten Daten selbst ab, sondern erhalten lediglich personenbezogene Auskünfte über den Inhaber eines bestimmten Anschlusses, der von den Diensteanbietern unter Rückgriff auf diese Daten ermittelt wurde. Dabei bleibt die Aussagekraft dieser Daten eng begrenzt: Die Verwendung der vorsorglich gespeicherten Daten führt allein zu der Auskunft, welcher Anschlussinhaber unter einer bereits bekannten, etwa anderweitig ermittelten IP-Adresse im Internet angemeldet war“.

Allerdings berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht an späterer Stelle wieder, dass im Rahmen eines solchen behördlichen Auskunftsanspruchs, der  Betroffene nach dem Transparenzgebot ein Anrecht darauf hat zu erfahren, dass und „warum diese Anonymität aufgehoben wurde“. Der Gesetzgeber hätte diesem Transparenzgebot Rechnung zu tragen, wenn er ein entsprechendes Gesetz erlässt.
Nun stellt sich natürlich die Frage, ob dieses Transparenzgebot auch im Rahmen des derzeitigen zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs greift. Ich denke schon. Zwar sind Grundrechte Abwehrrechte gegen den Staat, die Interessenlage ist hier allerdings sehr ähnlich. Jedoch fordert dass Bundesverfassungsgericht nur, dass der Betroffene weiß, dass und warum die Anonymität aufgehoben wurde, soweit nicht der Auskunftszweck damit gefährdet würde. Das könnte nach meiner Meinung auf folgende Auskunft hinauslaufen:
„Sehr geehrter Kunde X,
Ihre IP-Adresse wurde abgefragt und zugeordnet. Grund: Verdacht der Urheberrechtsverletzung“.

Das ist eindeutig zu wenig Information, um sinnvoll eine vorbeugende Unterlassungserklärung abzusenden., auch wenn ich schon die Beiträge im Internet vor meinem geistigen Auge sehe, die raten, bei einem Hinweis unverzüglich Unterlassungserklärungen in alle Himmelsrichtungen zu verstreuen, um Schlimmeres zu verhindern. Auch wenn ich mich wiederhole, eine Unterlassungserklärung sollte so eng wie möglich und so weit wie nötig abgegeben werden. Vorbeugende Unterlassungserklärungen sind grundsätzlich erst einmal kritisch zu sehen, und nur nach individueller Prüfung im Einzelfall geboten.

Ansonsten bin ich der festen Überzeugung, dass die Rechteinhaber schon morgen einen Gesetzesentwurf vorlegen werden, nachdem alle Provider verpflichtet sind, Daten 12 Tage lang zu speichern.

Ihr

Dr. Alexander Wachs

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