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Pippi Langstrumpf vor Gericht erfolgreich

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Eine Hamburger Kanzlei sorgt aktuell  für einigen Aufruhr. Das wohl bekannteste Mandat ist die Vertretung der Erbengemeinschaft Astrid Lindgren. Nach einem Spiegel Artikel vom 18.2.2012 (Für Pippis Ehre) hat die Kanzlei „im Namen von Pippis Ehre, noch kein Verfahren verloren“.

Die rechtskräftige Entscheidung des Landgericht Köln, 28 O 117/11 vom 10. August 2011 hatte sich dabei mit der spannenden Frage zu beschäftigen, ob durch den Verkauf eines Faschingskostüms, welches Pippi Langstrumpf zumindest stark angenähert war, eine Urheberrechtsverletzung zu erkennen war:

Für eine freie Benutzung könnte zwar im Ausgangspunkt die Übertragung in eine andere Werkart sprechen. Dies kann aber für sich betrachtet vorliegend nicht entscheidend greifen. Denn die eigenständig geschützte literarische Figur ist zwangsläufig lediglich verbal beschrieben und materiell nicht verkörpert. Jede körperliche Fixierung dieser Figur bedeutet damit einen Wechsel der Werkart; Schutz kann vor diesem Hintergrund aber nur wirkungsvoll sein, wenn auch die Transformation der zunächst aufgrund der sprachlichen Beschreibung lediglich in der Vorstellung bestehenden Person in eine bildliche oder körperliche Gestalt umfaßt ist. Es kommt daher allein darauf an, ob bei dieser Transformation die die geschützte literarische Figur prägenden äußerlichen und charakterlichen Umstände derart übernommen werden, daß die Figur in ihrem Wesenskern und ihren Grundzügen erhalten geblieben ist oder aber ob die Transformation zu einer neuen Figur geführt hat, die zwar Ähnlichkeiten aufweist, die aber für sich betrachtet auch als Charakter neben der geschützten Figur stehen kann. Bei der Entscheidung dieser Frage ist in erster Linie auf die Übereinstimmungen und nicht auf die Unterschiede zu achten; maßgebend ist der sich dem Betrachter erschließende Gesamteindruck, der aus der Übernahme eigenpersönlicher Merkmale entsteht (vgl. auch OLG Köln, ZUM-RD 1997, 386-Mirö).
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der Kammer von einer unfreien Benutzung auszugehen, die nicht den gebotenen und erforderlichen Abstand zu der Figur Pippi Langstrumpf einhält:
Mit deren literarischen Beschreibung (Bl. 225 d.A.) hat die angegriffene Abbildung äußerlich die roten Haare, die Sommersprossen und die bunte Kleidung gemeinsam. Die Beschreibung der Kleidung stimmt zwar äußerlich nicht vollständig überein (Farbe des Kleides, Socken, Schuhe); sie vermittelt gleichwohl denselben Aussageinhalt: sie suggeriert ein wildes, unangepaßtes, unkonventionelles, buntes  und spontanes Mädchen und verkörpert damit alles, was Pippi Langstrumpf ist. Deshalb erkennt jeder Betrachter in diesem Kostüm unmittelbar die Figur Pippi Langstrumpf, wenn auch in abgewandelter Form.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der allgemeine Wiedererkennungseffekt von Pippi Langstrumpf nicht zuletzt auf der großen Bekanntheit dieser Romanfigur beruht, die dazu führt, daß der Betrachter nahezu jede Abbildung eines rothaarigen Mädchens mit Zöpfen, Sommersprossen und bunten Kleidern mit Pippi Langstrumpf assoziieren wird, was für die urheberrechtliche Betrachtung indes für sich betrachtet nicht Maßstab sein darf. Allerdings zeigt dies auch, was die Figur im Auge des Betrachters prägt und just diese prägenden Elemente eines Mädchens mit roten Haaren, abstehenden Zöpfen, Sommersprossen sowie geringelter Kleidung und daraus abzuleitender unangepaßter Geisteshaltung werden übernommen. In der Kombination dieser Merkmale liegt nach Auffassung der Kammer die  eigenpersönliche geistige Schöpfung Astrid Lindgrens. Diese Kombination war zur Zeit der Entstehung der Figur Pippi Langstrumpf eigenartig und ist es bis heute. Sie verleiht der Figur „Pippi Langstrumpf“ eine äußerliche Merkwürdigkeit, mit der unmittelbar die Assoziation der der Figur beigeschriebenen Charaktereigenschaften verbunden ist. Dieser Gesamteindruck wiederum ist derart einzigartig, dass der Figur Pippi Langstrumpf ein großer Schutzumfang zuzubilligen ist, in den vorliegend eingegriffen wurde. Angesichts dieses hohen Schutzumfangs und der Übernahme von zentralen Merkmalen genügen die Unterschiede nicht, den gebotenen Abstand herbeizuführen, zumal die Abbildungen zweifellos auf der Figur Pippi Langstrumpf aufsetzen, ohne sich mit dieser in der Sache auseinanderzusetzen. Die angegriffenen Bildnisse weisen für sich betrachtet keinerlei eigenständige Eigenart auf, hinter der die übernommenen Merkmale zurücktreten würden. Sie sind vielmehr allein von dem Bemühen getragen, die Figur Pippi Langstrumpf nicht unmittelbar zu übernehmen und so dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu entgehen, gleichwohl aber ausreichend nah an dieser Figur zu bleiben, um sie als Kostüm erkennbar zu machen. Angesichts dessen werden nicht lediglich im Rahmen eines neuen Werkes Assoziationen an Pippi Langstrumpf geweckt, indem deren prägende Züge zwar durchschimmern, aber gleichwohl hinter der Eigenart des neuen Werkes zurücktreten. Vielmehr wird im Ergebnis im Gegenteil Pippi Langstrumpf bewusst in einer Variante dargestellt, in der die Figur in ihrem Wesenskern und ihren Grundzügen erhalten geblieben ist.

Als Folge erkannte das Landgericht 50.000,00 EUR Schadensersatz zu, welches vom OLG Köln bestätigt wurde.

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