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Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltksammer zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken

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Die Bundesrechtsanwaltksammer hat sich ähnlich wie die Hamburger Rechtsanwaltskammer (Stellungnahme liegt mir ebenfalls vor) in einer veröffentlichten Stellungnahme klar gegen das geplante Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen. Im Folgenden Blog Beitrag soll nur die Filesharingproblematik beleuchtet werden.

Die Bundesrechtsanwaltskammer spricht sich gegen die geplanten Änderungen in § 97a UrhG und
§ 49 GKG aus. Obgleich einiges für einen sinnvollen Ausgleich zwischen mitunter sehr hohen
Kostenerstattungsforderungen gegenüber einzelnen privaten Rechtsverletzern und den legitimen
Interessen der Rechteinhaber, Piraterie mit wirtschaftlich angemessenen Mitteln verhindern zu können
spricht, sind die vorgesehenen Änderungen in § 97a UrhG in dieser Form unsachgemäß; die
Einführung des § 49 GKG ist in dieser Form ebenfalls unsachgemäß und zu starr. Insgesamt
verschieben die vorgesehenen Regelungen das Risiko der Verfolgung einer Rechtsverletzung und die
Kosten der Rechtsverletzung einseitig – und innerhalb des UrhG systemwidrig – auf den
Rechteinhaber.

Die Kammer erkennt also durchaus, dass die Forderungen welche in Abmahnungen an Privathaushalte herangetreten werden zu hoch sind.

Im Einzelnen:
a) In § 97a Abs. 2 UrhG in Verbindung mit § 49 GKG sieht der Entwurf vor, statt der bisherigen
pauschalen Deckelung der zu erstattenden Abmahnkosten in bestimmten Fällen den
Gegenstandswert für die Abmahnung gegenüber einer Privatperson, die gegenüber dem
konkret Abmahnenden noch nicht durch eine Unterlassungserklärung oder einen
Unterlassungstenor gebunden ist, auf 500 Euro (§ 49 GKG), zu begrenzen. Die Mittelgebühr
beträgt damit 67,50 Euro. In § 97a Abs. 3 UrhG sieht der Änderungsentwurf vor, dass der
Abgemahnte im Falle einer unberechtigten Abmahnung Ersatz der für die Rechtsverteidigung
erforderlichen Aufwendungen verlangen kann. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 49 GKG
– wie in § 97a Abs. 2 UrhG – fehlt hier.

b) Die in § 97a Abs. 2 in Verbindung mit § 49 GKG vorgesehene Beschränkung der
erstattungsfähigen Abmahnkosten in bestimmten Fällen ist unsachgemäß und birgt darüber
hinaus das Risiko, die Abmahnung als sinnvolles und effizientes Instrument der
außergerichtlichen Konfliktbeilegung zu entwerten. Denn anders als in einigen der ebenfalls in
dem Gesetzesentwurf behandelten Fällen gibt es bei Abmahnungen auf Grund des UrhG vor
der Abmahnung eine echte Verletzung individueller und durch das UrhG ebenso wie durch
den europäischen Normgeber – insbesondere in der sog. Enforcement-Richtlinie Nr. 48/2004
– garantierter Rechte. Verbot und Verfolgung einer Verletzung der durch das UrhG gewährten
Rechte werden durch das UrhG gesichert, sind also legitim und haben mit Missbrauch
zunächst einmal nichts zu tun. Insofern kann die Geltendmachung der Rechtsverletzung und
Aufforderung zur Unterlassung als solche nicht missbräuchlich sein. Missbrauch kann
allenfalls dort entstehen, wo der der einzelnen Rechtsverletzung zugeordnete
Gegenstandswert ein für beide Parteien angemessenes Maß überschreitet und mithin zu
Kostenerstattungsansprüchen führt, die, wenn tatsächlich eine einzelne Rechtsverletzung im
Raume steht, unverhältnismäßig sind. Allerdings lässt sich ein solches vernünftiges Maß nicht
durch eine pauschale Festlegung des Streitwertes für den Unterlassungs- und
Beseitigungsanspruch in Höhe von 500 Euro, wie es durch die Änderung in § 49 GKG geplant
ist, erreichen. Zum einen ist ein pauschaler Wert von 500 Euro selbst dann, wenn man von
einer einzelnen mit der Abmahnung verfolgten Verletzung ausgeht, zu starr und wird nicht
annähernd den tatsächlichen Wert ausdrücken können. So mögen 500 Euro (u. U. deutlich)
zu hoch bemessen sein, wenn es um das Herunterladen eines einzelnen, nicht aktuellen
Musiktitels geht; 500 Euro dürften umgekehrt um ein Vielfaches zu gering bemessen sein,
wenn der Abgemahnte einen aktuellen Kinofilm heruntergeladen oder gar in einer
Tauschbörse für eine unübersehbare Zahl von Internetnutzern zur Verfügung gestellt hat.
Insofern zeigen bereits die unterschiedlichen in der Rechtsprechung entwickelten
Streitwertgrundsätze, dass und wie die Verletzung der Rechte an unterschiedlichen Werken
auch unterschiedlich bewertet werden muss.

Die Kammer differenziert hier offenbar zwischen dem reinen „Herunterladen“ ohne zur Verfügung Stellen und dem Herunterladen mit Verbreiten in Tauschbörsen.
Diese Unterscheidung ist sicher sinnvoll, nur ist mir keine Entscheidung bekannt, in der es jemals „lediglich“ um das Herunterladen ging. Insofern scheint sich diese Thematik
erst in Zukunft stellen zu können, namentlich wenn die Rechteinhaber gegen die Downloader von Plattformen wie Rapidshare vorgehen. Ich persönlich halte 500,00 EUR als Streitwert für das Verbreiten eines aktuellen Films in einer Tauschbörse ebenfalls für etwas ambitioniert, aber es wäre doch hilfreich, wenn die Kammer hier konkretere Empfehlungen ausgesprochen hätte – etwa 3000,00 EUR bei einem aktuellen Film und 5000,00 EUR wenn der Film noch aktuell im Kino läuft.

Schließlich sieht das RVG bereits selbst eine Flexibilität vor, da die Geschäftsgebühr als
Rahmengebühr ausgestaltet ist und damit die jeweils angemessene Gebühr über den
Gebührenrahmen unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG zu bestimmen ist.
Darüber hinaus erlaubt es der starre Streitwert in Höhe von 500 Euro nicht, den mitunter
erheblichen wirtschaftlichen Schaden, der Rechteinhabern schon durch die Feststellung der
Rechtsverletzung und den Aufwand der Verfolgung entsteht, zu berücksichtigen. Indes ist
nach allgemeiner Auffassung im Rahmen des § 3 ZPO wertbestimmend die Beeinträchtigung,
die von dem beanstandeten Verhalten verständiger Weise zu besorgen ist und die mit der
jeweils begehrten Maßnahme beseitigt werden soll, wobei die ständige Rechtsprechung vor
allem die Gefährlichkeit der Rechtsverletzung zu bewerten versucht. Eine Pauschalierung in
der vorgesehenen Form ist dem System des Schutzes geistiger Eigentumsrechte in
Deutschland fremd und im Übrigen nur schwierig mit den Umsetzungsverpflichtungen des
deutschen Gesetzgebers aus Art. 3 Abs. 2 der Enforcement-Richtlinie in Einklang zu bringen.
Diese sieht vor, dass „Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe“ zur Durchsetzung der
Rechte des geistigen Eigentums „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein“ müssen.
Hierzu gehört die Möglichkeit des Inhabers der verletzten Rechte, die eigenen – unstreitigen –
Ansprüche mit wirtschaftlich angemessenen und vertretbaren Mitteln durchsetzen zu können.
Gerade diese Möglichkeit gefährdet eine Pauschalierung, die die Kosten der
Rechtsverfolgung im Wesentlichen dem Verletzten aufbürdet.
c) Weiter ist fraglich, ob der Gesetzentwurf sein Ziel, die Abmahnkosten für den
Rechtsverletzenden auf ein sehr überschaubares Maß zu beschränken, wirklich erreichen
kann. Denn § 49 GKG begrenzt in der vorliegenden Fassung den Streitwert für „den
Unterlassungsanspruch“. Indes betrifft die weit überwiegende Zahl von verfolgten
Rechtsverletzungen nicht die Verletzung der Rechte an einem einzelnen, sondern häufig an
mehreren, teilweise sogar einer Vielzahl urheberrechtlich geschützter Werke (wie z. B. einem
oder mehrerer gesamter Musikalben o. ä.). Da in einem solchen Fall für die Verletzung jedes
Werkes ein gesonderter Unterlassungsanspruch besteht, wird der Streitwert in derartigen
Fällen nicht etwa bei 500 Euro sondern bei einem Mehr- oder ggf. Vielfachen hiervon liegen.

Ich hatte bereits in einer Stellungnahme geschrieben, dass ich mit einem Streitwert von 500,00 EUR pro Lied gut leben könnte. Ein Streitwert von 5.000,00 EUR bei einem aktuellen Album wäre für uns Praktiker schon eine ernorme Hilfe, die Kosten im Rahmen zu halten. Die Rechteinhaber bekommen doch die Sicherheit, dass Abgemahnte keine Tauschbörse mehr nutzen bereits durch die Unterlassungserklärung und die abmahnenden Anwälte können weiter ein Scheibchen Käse aufs trocken Brot legen.

d) Schließlich begünstigt § 49 GKG-E den Rechtsverletzer auch insofern unangemessen, als
nicht etwa nur echte „Erstverletzer“ unter die Regelung fallen, sondern diese immer
Anwendung finden lässt, wenn der Betreffende zufällig die Rechte des konkreten
Rechteinhabers erstmalig verletzt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb jemand, der
möglicherweise bereits mehrfach die Rechte jeweils unterschiedlicher Rechteinhaber verletzt
hat, privilegiert werden soll, weil er zufällig noch nicht die Rechte des konkret Abmahnenden
verletzt hat. Hier müsste § 49 Abs. 1 Nr. 2 GKG mindestens vorsehen, dass der Beklagte
noch nicht wegen einer gleichartigen Rechtsverletzung durch den Kläger oder einen Dritten
zur Unterlassung vergleichbarer Urheberrechtsverletzungen verpflichtet worden ist. Insofern
entwertet die Regelung insbesondere des § 49 GKG-E auch die Abmahnung als ein
sinnvolles und effizientes Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung. Sinn und Zweck
der Abmahnung ist es – vgl. § 97a Abs. 1 UrhG –, dem Abgemahnten eine schnelle und
kostengünstige, weil außergerichtliche Streitbeilegung zu ermöglichen. Da der Abgemahnte
aber bei Abgabe einer Unterlassungserklärung für weitere Verletzungen der Rechte des
konkreten Klägers nicht mehr nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 GKG privilegiert wäre, wird er
möglicherweise gerade keine Unterlassungserklärung abgeben und darauf setzen, dass eine
gerichtliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruches gerade bei einer einzelnen oder
sehr wenigen Rechtsverletzungen für den Rechteinhaber wirtschaftlich unverhältnismäßig
wäre. Der Abgemahnte bliebe ein „Erstverletzer“ im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 GKG;
wiederum lasteten die Kosten der Rechtsverletzung im Wesentlichen auf dem Rechteinhaber.
Auch insofern ist die Regelung unangemessen.

Die Argumentationslinie erschließt sich mir hier nicht so recht. Der Erstverletzer bleibt doch nicht solange Erstverletzer bis er eine Unterlassungserklärung abgegeben hat. Die Erstverletzung knüpft an den Verletzungserfolg an und nicht an die Unterlassungserklärung. Die Stellungnahme der BRAK wurde von Top Juristen gefertigt, daher will ich mich hier nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Sollte sich mir die Argumentation doch noch erschließen, werde ich dies hier nachtragen.

e) Soweit der Gesetzentwurf in einem neuen § 97a Abs. 3 UrhG einen Gegenanspruch des
Abgemahnten für den Fall einer unberechtigten Abmahnung vorsieht, so ist bereits fraglich, ob
die Regelung geeignet ist, das in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachte Ziel des
Gesetzgebers – einen einfach durchsetzbaren Anspruch des zu Unrecht Abgemahnten zu
schaffen – zu erreichen. Denn ob eine Abmahnung unberechtigt ist, muss der Abgemahnte
darlegen und beweisen […]“

Ds ist wohl sicher so, ob eine Abmahnung berechtigt oder unberechtigt war, kann uns im Zweifel erst der BGH erläutern. Dieser Passus klingt wirklich nur auf dem Papier gut. Es ist wie schon von mir vor Monaten geschrieben, der Gesetzesentwurf war so ambitioniert, dass er im Ergebnis einfach nicht durchsetzbar ist. Freilich ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken ohnehin obsolet, denn im aktuellen Spiegel vom 11.6.2012 sagt unsere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu allen Themen ein paar Sätze außer zum „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“. Schade.

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