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Mobbing durch Kind auf Facebook – 1500,00 Schmerzensgeld

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Mobbing durch Kind auf Facebook: Kinder können grausam sein. Auch minderjährige Kinder können aber für (überzogene) Grausamkeit haften. Die Haftung umfasst Unterlassung und Schmerzensgeld wie das LG Memmingen · Urteil vom 3. Februar 2015 · Az. 21 O 1761/13 in einer sehr lesenswerten und durchdachten Entscheidung offenbart.

Worum geht es in der Entscheidung?

Ein minderjähirges Kind hatte einen ebenfalls minderjähirgen Klassenkameraden u.a. mit einer gefälschten Facebookseite schwerst beleidigt (gemobbt), sodass der Kläger sich (erneut) in psychiatrische Behandlung begeben musste. Das beklagte Kind bestritt unter anderem die Facebook Seite online gestellt zu haben, konnte mit diesen Schutzbehauptungen das Gericht – nach umfangreichen Beweisaufnahmen nicht überzeugen. In dem Rechtsstreit wurde sogar behauptet, dass die Facebook Seite so nicht online gewesen sei, sondern gefälscht sei. Auch dies wies das LG Memmingen als unzutreffend zurück. Der Kläger begehrte Unterlassung vom Beklagten, Erstattung der Anwaltskosten und Schmerzensgeld und bekam dies auch ganz überwiegend zugesprochen.

Mobbing unter Kindern

Das Landgericht Memmingen hat sehr schön herausgearbeitet, dass nicht jede Beleidigung auf dem Schulhof zu Ansprüchen berechtigt und, dass Kinder einen anderen Ton pflegen mögen als Erwachsene. Wenn die Beleidigungen aber online erfolgten (also  anders als das gesprochene Wort auf dem Schulhof ) verkörpert sind und dann noch massivste Persönlichkeitsrechtverletzungen erfolgen, auch unter minderjährigen (deliktsfähigen) Kindern Ansprüche bestehen.

Das LG Memmingen vom 3. Februar 2015 · Az. 21 O 1761/13 im Wortlaut

Die Kammer ist sich durchaus bewusst, dass Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes unter Kindern nicht uneingeschränkt nach den für Volljährigen geltenden Maßstäben beurteilt werden können. Denn unter Kindern sind der Gebrauch von Schimpfwörtern oder von Formulierungen, die strafrechtlich als Beleidigungen einzuordnen sind, oft üblich. Sie sind in gewissem Umfang Teil einer jugendtümlichen Sprache und geprägt auch von einem noch kindlichen bzw. jugendtypischen Verhalten, in dem sich häufig eine gewisse Sorglosigkeit der Äußerung offenbart. Schließlich wird Kindern auch die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts und die mit seiner Verletzung verbundenen Gefahren noch nicht in dem Umfang bewusst sein, wie man das bei einem Erwachsenen erwarten kann.

Auf der anderen Seite weiß zur Überzeugung der Kammer aber ein immerhin bereits deliktsfähiges Kind durchaus, dass ein Schimpfwort eine Herabsetzung des anderen Kindes bedeutet, dass damit eine Abwertung seiner Person verbunden und auch gewollt ist, und es weiß auch, dass die Nachhaltigkeit einer solchen Herabsetzung durch ihre Einstellung in das Internet und den „öffentlichen Pranger“ massiv verstärkt werden kann, obwohl genau diese Verstärkung unrechtmäßig ist.

b)

Es wäre deshalb aus Sicht der Kammer verfehlt, etwa bezüglich einer isolierten mündlichen Äußerung wie „Ich habe dort Dummheit studiert! Es war anstrengend, aber ich habe es geschafft!“ einem Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechtes bereits stattzugeben.

c)

Vorliegend beschränkt sich das Verhalten des Beklagten aber bei weitem nicht auf solche – im Regelfall vereinzelte – kind- und jugendtypische Äußerungen gegenüber dem Betroffenen oder vielleicht in einer kleinen Gruppe:

Der erste entscheidende Unterschied liegt vielmehr darin, dass die entsprechenden Äußerungen über ein Internetportal gemacht wurden und damit einem breiten Nutzerkreis im Prinzip dauerhaft zugänglich sind. Dies verstärkt die Wirkung entsprechender Äußerungen gegenüber einer nur mündlichen und damit in der Wirkung flüchtigen Aüßerung ganz massiv.

Als zweiter Unterschied kommt hinzu, dass in den Äußerungen auch Beleidigungen und Behauptungen enthalten waren, die den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit treffen und verletzen und deshalb so nach Auffassung der Kammer auch dann nicht hingenommen werden müssen, wenn sie von einem anderen – deliktsfähigem – Kind gemacht worden sind. Es geht nicht an, einen Mitschüler, der bereits erkennbar (vorangegangene Attacken) unter seinem stärkeren Körpergewicht leiden musste, im Internet als „Fat-Opfer“ darzustellen, es geht erst recht nicht an, einem 12 Jahre alten Buben zu unterstellen, er vergewaltige kleine Kinder – dies stellt den Vorwurf eines ganz massiv strafrechtlichen Verhaltens dar – und das Ganze auch noch mit einem Bild spielender Kinder (im Sandkasten) zu unterlegen, das nach Auffassung der Kammer durchaus auch sexualbezogen gedeutet werden kann, es geht auch nicht an, die vermeintlichen Exkremente eines anderen Kindes abzubilden und dieses Kind als „Wixxer“ und „fetten Zwidder“ zu bezeichnen, und es geht erstrecht nicht an, diesem Kind das Lebensrecht mit der Formulierung abzusprechen, „es solle sich selbst und am besten gleich umbringen“. Hier handelt es sich vielmehr um Kernbereiche der Persönlichkeit, deren umfassender Schutz Aufgabe staatlicher Schutzgewährung ist.

Hinzu kommt schließlich noch, dass solche Äußerungen nicht nur eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes darstellen, sondern dass sie durch die Verfälschung des Internetaccounts auch noch mit nicht unterheblicher kriminieller Energie unter Verwendung eines unberechtigt benutzten Bildes erstellt worden sind. Auch dies muss ein anderes Kind als Verhalten eines Gleichaltrigen nichtg hinnehmen.

Dies alles rechtfertigt es, in einem solchen Gesamtverhalten eine – und zwar massive – Verletzung des Persönlichkeitsrechtes zu sehen und einem entsprechenden Unterlassungsanspruch stattzugeben.

Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 EUR…nur der Anfang?

Bei der Höhe des Schmerzensgeld von 1.500,00 EUR berücksichtige das Gericht den Umstand, dass es für ein Kind naturgemäß sehr schwer ist hohe Geldsummem abzuzahlen. Vollstreckbar wird diese Summe in den nächsten Jahren sicher nicht sein, andererseits eine gute Geldanlage für den Kläger, als das Geld über die Jahre bis Vollstreckungsmasse vorhanden ist, verzinst wird. Richtig teuer wird es für den Beklagten, wenn er vom Versicherungsträger des Klägers für Heilbehandlungskosten der psychiatrischen (teilweise stationären) Behandlung in Regress genommen wird.

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